Score Samples
2014
»le terrain du mirage« 17’
for Piano, Clarinet, Violoncello and Solo Interpreter
Premiere: May 11, 2014
University of Music and Theatre Leipzig
Piano: Laura Rodríguez Adame
Cello: Timothy Hopkins
Clarinet: Xiao Cheng Wang
Vocal and Percussion: Hang Su
Cheng Gu: The Peoples (December 1984)
German Translation: Hang Su
The peoples moved like day and night.
The peoples in the darkness shone their light through misty clouds.
Their hearts were pure, like crystals polished by storms.
After this turmoil, they gazed upon my expressionless face.
The faces of the fair-skinned and dark-skinned stood side by side,
tightly interwoven like sunflower seeds.
They spread their pollen,
urging the gears to question reason.
In the crystal-clear sky hung sacks of blood.
After the raids of immense armies,
the peoples stood on an island,
lonely upon the dead earth.
“Le terrain du mirage” (The Terrain of Illusion) is an acoustic exploration of the boundaries between perception and deception. In this work, I explore sonic spaces that constantly shift—like a mirage that appears and vanishes with every movement.
The composition is characterized by fragile, ephemeral layers of sound that overlap, creating a sense of instability through their transparency. Instrumental timbres blend into one another, often obscuring the origin of individual sounds. Unpredictable rhythmic displacements and microtonal frictions enhance this effect, forming a floating, at times almost disembodied soundscape.
“Le terrain du mirage” is more than a compositional study on illusion—it is a reflection on impermanence, on sound as a form of memory that can never be fully grasped. The piece demands sensitive listening and constant adaptation from the musicians as they navigate shifting structures, while inviting the audience to lose themselves in an acoustic space that oscillates between reality and fiction.
DE
Uraufführung Musik und Gegenwart 55
Konzert an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig
9. Januar 2015
Leitung: Reinhard Schmiedel
Trio:
Klavier: Laura Rodríguez Adame
Violloncello: Timothy Hopkins
Klarinette: Xiao Cheng Wang
Vocal and Percussion: Hang Su
Cheng Gu: Die Völker (Dezember 1984)
Deutsche Übersetzung: Hang Su
Die Völker bewegten sich wie der Tag und die Nacht.
Die Völker in der Dunkelheit strahlten ihr Licht aus Nebelwolken.
Ihre Herzen waren pur wie durch Stürme geschliffenes Kristall.
Nach dieser Unruhe wurden sie durch mein ausdrucksloses Gesicht angeschaut.
Die Antlitze des Hellhäutigen und Dunkelhäutigen standen nebeneinander,
eng zusammengewachsen wie Sonnenblumenkerne.
Sie breiteten ihre Pollen aus, ließen die Zahnräder nach der Vernunft fragen.
Im glasklaren Himmel hingen Blutsäcke. Nach den Razzien der ungeheuren Truppen
standen die Völker auf einer Insel, einsam auf den toten Erden.
„Le terrain du mirage“ (Das Gelände der Illusion) ist eine akustische Erkundung der Grenzen zwischen Wahrnehmung und Täuschung. In diesem Werk erforsche ich Klangräume, die sich ständig verändern – wie eine Fata Morgana, die mit jeder Bewegung neu erscheint und wieder verschwindet.
Die Komposition ist geprägt von fragilen, flüchtigen Klangschichten, die sich überlagern und in ihrer Transparenz ein Gefühl der Instabilität erzeugen. Instrumentale Farben verschmelzen ineinander, sodass der Ursprung einzelner Klänge oft unklar bleibt. Unvorhersehbare rhythmische Verschiebungen und mikrotonale Reibungen verstärken diesen Effekt und lassen eine schwebende, manchmal fast entkörperlichte Klangwelt entstehen.
„Le terrain du mirage“ ist mehr als eine kompositorische Studie über Illusion – es ist eine Reflexion über das Unbeständige, über Klang als Form der Erinnerung, die sich nie vollständig greifen lässt. Das Werk fordert von den Musiker*innen ein sensibles Hören und eine stetige Anpassung an sich verändernde Strukturen, während es die Zuhörenden einlädt, sich in einem akustischen Raum zu verlieren, der zwischen Realität und Fiktion hin- und herwechselt.
»la maison« 10’
for Orgel and 2 Vocalists
World Premiere: May 11, 2014
University of Music and Theatre Leipzig
Voices: Etienne Walch, Hang Su
Organ: Ursa Vukman, Josipa Leko
I.
The house left its place,
Floating alone in the air.
Beneath its shadow,
Dark blue-colored streets swam.
We sat on the room floor,
We liked sitting on that floor.
We looked at each other,
We liked looking at each other.
(CHENG GU, 1984)
“La maison l’ornamenté de la mer” (The House Adorned by the Sea) is a composition that exists at the intersection of poetic architecture, sound, and transience. In this work for organ and two singers, I create a fragile soundscape in which structures emerge and simultaneously disintegrate—much like a building eroded by the sea over time.
The organ serves as the central sonic foundation, filling the space with both powerful sound masses and delicate, almost shadow-like tones. The two voices intertwine with the organ, sometimes contrasting, sometimes detaching from it, creating an ever-shifting dynamic.
A defining element of this piece is the tension between motion and stillness. While the organ often lingers in drawn-out, almost meditative sound textures, the voices repeatedly break away—sometimes as pure sounds, sometimes as fragmented vocal lines that seem to dissolve and reform.
The composition explores the concept of acoustic decay—how sounds transform when removed from their original context and placed in new relationships. “La maison l’ornamenté de la mer” is a musical experiment that not only examines the interplay between voice and instrument but also reflects on the fleeting nature of sound and the memories it leaves behind.
UA:
11. Mai 2014
Konzert Musik und Gegenwart 50
Hochschule für Musik und Theater
»Felix Mendelssohn Bartholdy« in Leipzig, Deutschland
Stimme: Etienne Walch, Hang Su
Orgel: Ursa Vukman, Josipa Leko
I.
Das Haus verließ seinen Platz,
Schwebte allein in der Luft.
Unter seinem Schatten
Schwammen dunkelblaue Straßen.
Wir saßen auf dem Zimmerboden,
Wir saßen gern auf diesem Boden.
Wir schauten uns gegenseitig an,
Wir schauten uns gern an.
(CHENG GU, 1984)
„La maison l’ornamenté de la mer“ (Das Haus, geschmückt vom Meer) ist eine Komposition, die sich an der Grenze zwischen poetischer Architektur, Klang und Vergänglichkeit bewegt. In diesem Werk für Orgel und zwei Sänger erschaffe ich eine fragile Klanglandschaft, in der sich Strukturen aufbauen und gleichzeitig wieder zerfallen – ähnlich wie ein vom Meer umspültes Gebäude, das mit der Zeit erodiert.
Die Orgel fungiert dabei als zentrales klangliches Fundament, das durch mächtige Klangflächen ebenso wie durch subtile, fast schattenhafte Töne den Raum füllt. Die zwei Stimmen verweben sich mit der Orgel, kontrastieren oder lösen sich von ihr, wodurch eine sich ständig wandelnde Dynamik entsteht.
Besonders prägend für dieses Stück ist das Spannungsverhältnis zwischen Bewegung und Stillstand. Während die Orgel oft in langgezogenen, fast meditativen Klangflächen verweilt, brechen die Stimmen immer wieder aus dieser Starre aus – mal als reine Klänge, mal in fragmentierten vokalen Linien, die sich scheinbar verlieren und wieder neu formen.
Die Komposition erforscht die Idee des akustischen Zerfalls – wie Klänge sich verändern, wenn sie aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und in neue Zusammenhänge gestellt werden. „La maison l’ornamenté de la mer“ ist ein musikalisches Experiment, das nicht nur die Wechselwirkungen von Stimme und Instrument untersucht, sondern auch die Flüchtigkeit von Klang und die Erinnerungen, die er hinterlässt.